Die häufigsten Aussagen sind: “Wir arbeiten schon agil…” , “Wir adaptieren agile, steht ja auch im Manifest…”, “Wir machen das etwas anders…!”
Meine Favoriten sind jedoch: “…wir machen nur ein bisschen agil!”, “Wir sind keine Scrum - Nazis"…!” und “Wir sind ja nicht blöd, bei uns läuft es auch so ganz gut…!”.
Wenn man dann für eine Weile von außen ins System schaut, sieht es doch häufig anders aus.
Dabei ist die Mission als Coach klar, die Mitarbeiter auf dem Weg der Veränderung, zu unterstützen.
Natürlich ist Change nicht bequem und einige Kollegen sprechen sogar davon, dass “Change weh tut”, weil es auch mehr Verantwortung für jeden Einzelnen bedeutet und kein Wunschkonzert ist.

Nun kommen wir zum Kern dieses Blogs, denn es geht darum, wie wir mit Rahmenwerken umgehen, bzw. wie wir sie auslegen.
Richtig ist, dass Frameworks wie Scrum oder SAFe ganz bewusst unvollständig und zu adaptieren sind.
Das bedeutet aber nicht, dass jeder machen kann, was sie oder er will.
Beispiele 1:
Die blauen Verkehrszeichen für Richtgeschwindigkeiten auf Landstraßen, sind nur eine Empfehlung, was von offizieller Seite aus als angemessen angesehen wird, um unfallfrei eine enge Kurve zu durchfahren.

Die Autofahrer entscheiden letztlich selbst, ob sie sich der Empfehlung anpassen oder ob sie mit doppelter Geschwindigkeit in die gleiche Kurve rauschen.
Das Risiko eines schweren Unfalls erhöht sich selbstverständlich um ein Vielfaches.
Ein ehemaliger Freund und Sportkollege aus der Leichtathletik hat sich so, auf einem Trike, bereits zu seinem 18. Geburtstag um einen Baum gewickelt und das Ausbrechen aus dem empfohlenen Rahmen, mit seinem Leben bezahlt.
Auf seiner Fahrt war er mit zu vielen Unbekannten, zu schnell, also außerhalb der empfohlenen Geschwindigkeit unterwegs.
So in etwa ist es auch mit agilen Frameworks in Unternehmen. Es gibt gute Gründe, warum bestimmte Rahmen empfohlen sind.
Je geübter eine Organisation und ihre Teams z.B. mit dem originalen Scrum Flow sind, und je besser das Vorgehen der Mitarbeiter ein Teil ihrer täglichen Arbeit wird, desto eher wird es möglich, auch bestimmte Artefakte und Methoden zu adaptieren.
Beispiel 2:
Jeder der Kinder hat, bringt ihnen bei, an der Ampel bei Rot stehen zu bleiben.
Sogar mit Liedern werden die Kinder geradezu eingeschworen, sich im Straßenverkehr an die einfachste Regel zu halten, “Bei Rot bleibe steh'n, bei Grün darfst Du gehen…!”
Trotzdem zelebrieren wir Erwachsenen sehr regelmäßig das “J - Walking”, heißt, wir überqueren die Straße bei Rot, weil wir alle so in Eile und gehetzt sind, und denken, die 30 Sekunden kann man unmöglich warten.
In den Unternehmen erleben wir regelmäßig, dass die Projektmatrixen geschönt werden und die roten Ampeln gerne auch in gelbe umdefiniert werden.
Sieht wohl einfach besser aus, als so eine rote Ampel.
Warum lehren wir den Kindern erst, bei Rot stehen zu bleiben?
Weil es ein Rahmenwerk ist, das vielleicht Sinn macht und wenn man es kennt und sich dem Signal bewusst ist, man also an einer Ampel besonders aufmerksam ist, kann man eventuell auch unbeschadet bei Rot über die Straße gelangen.
Nun kann man diskutieren, ob man Ampeln vielleicht abschaffen kann und alle Verkehrsteilnehmer dadurch umsichtiger und vorsichtiger miteinander umzugehen lernen, doch das ist wieder eine andere Frage.
Zunächst ist festzuhalten, dass niemand die Rahmenregelung der Ampel an dieser Stelle in Frage stellen, oder bewusst den Kindern das Gegenteil beibringen würde.
Warum also orientiert man sich nicht in Unternehmen an den agilen Rahmenwerken, die es gibt und arbeitet daran, diese richtig gut zu erlernen und zu leben, bevor man sie mit entsprechenden Erfahrungen und Erkenntnissen auch auf die eigenen Bedürfnisse und Besonderheiten der Organisation anpasst!?
Es gibt in meiner unmittelbaren Umgebung auf einem Schulweg eine Ampel, an der regelmäßig die Leute bei Rot loslaufen wollen und dabei fast von den abbiegenden Fahrzeugen, die Grün bekommen, erfasst werden.
Diese Verkehrsteilnehmer denken immer, sie haben genug Erfahrung und kennen sich aus, mit dem gesetzten Rahmen, und trotzdem passieren viel zu viele Unfälle, meist durch Leichtsinn, oder Überschätzung. So ähnlich kommen eben auch die anfangs angesprochenen Aussagen der Mitarbeiter in “ziemlich agilen” Projekten zustande.
Daher wäre es ratsam, sich als Organisation zunächst daran zu machen, einen Scrum Flow richtig aufgesetzt zu bekommen, und dann anzufangen zu adaptieren, nicht umgedreht.
Machen wir also lieber den Ersten Schritt vor dem 2. und 3., denn so lernen wir auch laufen.
Viel Erfolg!